Hans Hotz aus Grünigen

Hans Hotz gehört ab 1525 mit Konrad Grebel, Felix Mantz und Georg Blaurock zu den Täufern der ersten Stunde. Auch er wird mehrmals gefangen genommen. Aber im Gegensatz zu vielen Gründerfiguren überlebt er die erste Welle der Verfolgung. Bald wird er schweizweit zu einer täuferischen Schlüsselfigur – auch im Bernbiet.

Bild der Täuferdisputation in Zöfingen

Handlung oder Acta gehaltner Disputation und Gespräch zuo Zoffingen inn Bernner Biet mit den Widertöuffern : geschehen am ersten Tag Iulij im M.D.XXXII. ... Getruckt zuo Zürich : by Christoffel Froschouer, anno 1532 (Zentralbibliothek Zürich, Gal Tz 1154).

Hans Hotz spielt eine wichtige Rolle als Wortführer an den beiden von der Berner Obrigkeit einberufenen öffentlichen Disputationen mit den Täufern von 1532 in Zofingen und 1538 in Bern. Zwar wird ihm sicheres Geleit versprochen, aber nach der Disputation wird er sofort ausser Landes gebracht mit der Warnung, bei einer Rückkehr nach Bern werde man ihn «mitt dem schwert, ohn alle gnad richten», weil er «miner herren lüt verfüert» habe. Danach taucht Hotz ab in den Untergrund. Über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt.

Anababtist am Tisch am lesen

Anabaptiste. Kolorierte Lithographie nach Gabriel M. Lory. Kollektion Maeder/Studer, Biel.

Nach 1538 verzichtet Bern auf öffentliche Disputationen mit den Täufern, intensiviert aber die Repression.

Hans Hotz – Ein Zürcher Täuferlehrer im Bernbiet

Mein Name ist Hans Hotz. Wie mein Dialekt verrät, bin ich kein Emmentaler. Auf Schloss Trachselwald war ich nie eingesperrt. Wohl aber in vielen anderen Gefängnissen quer durch die Schweiz. Aber das Berner Täufertum kenne ich gut.

Täufer geworden bin ich schon sehr früh. Aufgewachsen im Zürcher Oberland habe ich mich schnell für Ulrich Zwinglis Predigten begeistert. Wie viele andere litt ich unter den Missständen in Kirche und Gesellschaft. Ich hatte grosse Hoffnungen gesteckt in den Aufbruch in Zürich unter Zwingli.

Wie er die Bibel auslegte und mitten in unseren Alltag hineinsprechen liess, das hatte mich gepackt. Seine Botschaft von der Liebe Gottes, die in Jesus Christus sichtbar geworden ist und allen gilt, gerade auch den einfachen und armen Menschen, hat mich im Tiefsten bewegt und begeistert. Dass der Glaube an diese befreiende Botschaft Berge versetzen könne, davon war auch ich überzeugt. Und Zwinglis Motto – «Wo der Gloub ist, da ist Fryheit!» - das wurde auch zu meinem Grundsatz.[1]

Aber je länger die Reformation dauerte, desto stärker waren manche von uns ernüchtert.[2]

Da wurde zwar viel Richtiges gepredigt über Recht und Gerechtigkeit, über Reue, Umkehr und ein christliches Leben. Aber manchen aus dem Freundeskreis Zwinglis hat es daran gemangelt, dass man all das nicht konkret und praktisch umgesetzt hat. Auch mir. Darum haben wir ein oder zwei Jahre lang zugewartet. […] Aber weiterhin ist die Lehre oft nicht in die Praxis umgesetzt worden. Da wurde kein Anfang gemacht mit einem konkreten neuen Leben aus Gott, und zwar, weil viele das gar nicht ernsthaft wollten. Manchen ging es primär um die Sicherung von Macht und Einfluss. Und obwohl manche Missstände rund um Messe und Heiligenverehrung effektiv abgeschafft waren, ging doch alles böse Leben, alles Prassen, Fressen und Saufen, alle Missgunst, aller Neid und Hass weiter. Sollte da der ganze Aufbruch umsonst gewesen sein?

Wir konnten, wir wollten es nicht glauben. Darum haben wir uns weiter getroffen. Wie wir es von Zwingli gelernt hatten, haben wir im Freundeskreis anhand der Bibel beraten über die Frage, wie denn sonst wir leben und glauben sollen. „Nachdem aber auch wir selbst die Bibel zur Hand genommen und auf alle möglichen Punkte hin untersucht haben, sind wir eines Besseren belehrt worden![3]

Je länger desto mehr waren wir überzeugt, dass Glaube und Kirchenmitgliedschaft nicht erzwungen werden können, sondern freiwillig sein müssen. Und dass wir selber in Leben und Glauben primär unserem eigenen Gewissen folgen sollen, und nicht den Anordnungen der Obrigkeit. Selbst wenn wir dafür einen hohen Preis bezahlen müssen. Was mir in unserem Kreis vor allem gefallen hat: Ich habe gemerkt, dass es Menschen waren, die nicht nur leere Worte machen, sondern die es ernst meinen. Es waren Menschen, die bereit gewesen sind, ihr ganzes bisheriges Leben selbstkritisch zu durchleuchten, Reue zuzulassen und ihr künftiges Leben so umzugestalten, wie sie es der Lehre Christi für gemäss halten.

Auf dieser Basis haben wir miteinander eine Kirche angefangen – und ich war gerne mit dabei, weil ich gesehen habe, dass von der Bibel her eine wahre christliche Gemeinde so sein muss...

Sehr bald mussten wir allerdings erkennen, dass Zwingli und die Zürcher Obrigkeit das Motto «Wo der Gloub ist, da ist Fryheit!» zwar sehr gern für sich in Anspruch nahmen, wenn es gegen die altgläubigen Katholiken ging. Alternativen Erneuerungsbewegungen wie dem Täufertum gestand man allerdings keinerlei Freiheiten zu für ihre etwas andere Form von christlichem Glauben!

Aber trotz aller Verfolgung haben wir gesehen, dass viele Menschen landauf-landab sehr positiv auf unsere Botschaft reagiert haben. Das hat uns ermutigt, uns auch öffentlich dafür einzusetzen, dass man unsere Überzeugungen nicht kriminalisiert, sondern ernst nimmt und wenigstens stehen lässt!

Nachwort: Hans Hotz war einer der wichtigsten Wortführer an den beiden von der Berner Obrigkeit einberufenen öffentlichen Disputationen mit den Täufern von 1532 in Zofingen und von 1538 in Bern. Allerdings fand das Täufertum dabei kein Gehör. Bern verzichtete fortan auf öffentliche Debatten, sondern intensivierte die Repression.[4] Hotz erhielt zwar die Zusicherung von freiem Geleit. Nach dem Ende der Disputation in Bern wurde er aber unverzüglich ausser Landes gebracht mit der Warnung, dass man ihn bei einer Rückkehr nach Bern «mitt dem schwert, an [ohne] alle gnad richten» werde, weil er «miner herren lüt verfüert» habe.[5]


[1] Zwingli-Zitat aus «Auslegen und Gründe der Schlußreden, 14. Juli 1523», in: Huldreich Zwinglis sämtliche Werke, vol. 2 (Leipzig: Heinsius, 1908) (Corpus Reformatorum 89).
[2] Der Wortlaut der folgenden Abschnitte ist teils fast wörtlich übernommen aus den Aussagen von Hans Hotz an der Berner Disputation von 1538, in Martin Haas (Hg.), Quellen zur Geschichte der Täufer in der Schweiz (QGTS), Bd. IV: Drei Täufergespräche in Bern und im Aargau, Zürich 1974, 281f.
[3] In einer modernen Übertragung abgedruckt bei Heinold Fast (Hg.), Der linke Flügel der Reformation. Glaubenszeugnisse der Täufer, Spiritualisten, Schwärmer und Antitrinitarier, Bremen 1962, 13. Der Originalwortlaut war: «Nach dem wir aber die gschrift ouch zehand genommen habend und von allerley artiklen besechen, sind wir etwaß bericht worden», in: Leonhard von Muralt / Walter Schmid (Hg.), Quellen zur Geschichte der Täufer in der Schweiz (QGTS), Band I: Zürich, Zürich 1952, 14.​​​​​​​
[4] Die Verhandlungen der beiden Täuferdisputationen von Zofingen und Bern sind abgedruckt in Band IV von Quellen zur Geschichte der Täufer in der Schweiz, Zürich 1974.​​​​​​​
​​​​​​​[5] Quellen zur Geschichte der Täufer in der Schweiz, Bd. III: Aargau - Bern – Solothurn, Zürich 2008, 384.