Zwei Häuser zwei Welten

von Ernst Marti

Verlag Huber &Co Frauenfeld 1911

Erzählung aus den Kämpfen um die Glaubensfreiheit

Das Buch erzählt die Geschichte der beiden benachbarten Familien Habegger und Ledermann. Sie beginnt 1725 im Emmental. Zwei Welten treffen aufeinander in den Liebenden Anneli Ledermann aus einer einfachen Täuferfamilie und Hans aus der wohlhabenden reformierten und militärfreundlichen Familie Habegger.

Ludwig Vogel/Arlette Maeder – Studer: Täuferversammlung, Kollektion Maeder/Studer, Biel.

Anhand einer tragisch endenden Liebesbeziehung werden Grundzüge des Täufertums im Emmental und im Jura aufgezeigt und im Vordergrund steht dabei das Leiden unter Täuferjägern, Bussen, Spott und Verbannung.

Mit diesem in eine Romeo und Julia-Geschichte verpackten Roman weckt der Autor, Pfarrer in Grossaffoltern, Verständnis und Interesse für die Leidensgeschichte der Täuferinnen und Täufer im Emmental des 18. Jahrhunderts. Der Nebenschauplatz Jura mit bekannten Orten wie Bellelay, Graitery, Dachsfelden (Tavannes) erscheint daneben als friedlicher Zufluchtsort.

Eine Täuferversammlung:

Es fehlte dem Gottesdienste jeder Prunk, jedes Mittel, das mit Absicht auf die Sinne hätte wirken sollen. Und doch würde ein unbefangener Zuschauer tiefe Eindrücke empfangen haben.

Uli Wüthrich sprach mit schwacher, etwas näselnder Stimme. Seine Rede entbehrte jeder künstlerischen Ausschmückung. Er führte die Seinen durch die Leidensgeschichte der Täufer. Warum sollte er schreien und rufen? Die Tatsachen, die er vorbrachte, schrien zum Himmel! Warum sollte er nach Art zünftiger Redner die Stimme heben oder senken, durch Klangfarben für Abwechslung und Wirkung sorgen? Die Lage des verfolgten Häufleins war seit Jahrhunderten immer gleich unglücklich, einförmig trostlos! Eintönig dürfte also auch der Vortrag sein, der sich mit diesen traurigen Geschichten beschäftigte. Natürlich behandelte der Prediger seinen Gegenstand mit schroffer Einseitigkeit. Das kluge Abwägen, das die Schuld auf beide Kampfseiten verteilt, war nicht seine Sache. Er stand nicht als gelehrter Forscher da, sondern als Anwalt bedrückter und geängstigter Menschen. [1]

Die Täufer im Jura:

Ledermann hatte seinerzeit die alte Heimat als armer Verbannter verlassen müssen. Sein Gut war von der Obrigkeit beschlagnahmt worden. Aber die Seele konnten ihm seine Feinde nicht rauben. Ihm blieben mit den grossen Zügen seines Wesens und Charakters auch die gleichen Eigenschaften von guter Art, der Sinn für Ordnung und Reinlichkeit, das merkwürdige Verständnis und Geschick für Bau und Pflege der Scholle.

Aus dem Graiton, der vorher ein verwilderter Bergwald gewesen, hatte er bald ein kleines Paradies gestaltet. Kam auch das niedere Jurahaus mit seinem schlichten rauhen Mauerwerk den wundervoll gezimmerten Emmentaler Holzbauten lange nicht nach, so sah es doch recht traulich aus mit seinen sauber getünchten Wänden und dem Dache, dass so fein geglättet war wie die zierlich gefältelte-Haube einer würdigen Matrone. Die kleinen Fensterchen waren blitzblank bescheuert; die Laden hingen senkrecht in Reih und Glied; wo man nachschauen möchte kein Nagel fehlte und kein Stift.[2]

Brauchte ein Müller an der Birs oder am Doubs ein starkes Ross, so wandte er sich gern an den Täufer, der im Rufe strengster Redlichkeit stand. Anfangs lachten die zünftigen Händler über den Halbnarren, der es auf dem Markt frei heraussagte, wenn ein Pferd mit dem Spat oder einem sonstigen Fehler behaftet war. Bald aber bekamen sie doch Respekt vor dem stillen, schlichten Manne, der sich als vortrefflicher Kenner auswies.[3]


  • [1] Zwei Häuser Zwei Welten, S. 92.
  • [2] S. 172.
  • [3] S. 174.