Samuel H. Fröhlich

Gründerfigur der «Neutäufer»-Bewegung

Manchmal gelingt es neuen Ideen, auf friedliche Weise bestehende Strukturen umzugestalten. Manchmal aber scheinen schmerzhafte Zerbrüche der Preis dafür zu sein, dass Neues entstehen kann. Unterschiedliche Überzeugungen über Bibel und Glaube haben in der Kirchengeschichte immer wieder zu ermutigenden Impulsen und neuen Aufbrüchen geführt. Sie stehen aber oft auch am Anfang schmerzhafter Spannungen und Zerwürfnisse.

Samuel Heinrich Fröhlich (1803-1857), Gründer der Evangelischen Täufergemeinden (Neutäufer), by Wikipaedia.

Die Geschichte täuferischer Kirchen in der Schweiz weiss ebenfalls um Chancen und Gefährdungen von Neuaufbrüchen. Dies illustriert die Geschichte von Samuel H. Fröhlich (1803-1857) und der «Neutäufer»-Bewegung, die bis heute auch im Emmental vertreten ist. Letztere hat hier neben der kirchlichen Landschaft in den letzten 200 Jahren auch das wirtschaftliche Leben mitgeprägt. So gehörte die Pioniergeneration der Firma Kambly in Trubschachen der Neutäufer-Gemeinde an.

Samuel Heinrich Fröhlich (1803-1857) und die «Neutäufer»-Bewegung

Im Verlauf seines Theologiestudiums in Zürich und Basel durchlebte Samuel H. Fröhlich eine schwere Glaubenskrise. Seine Begegnung mit der zeitgenössischen rationalistischen Theologie löste bei ihm ein existenzielles Ringen um Wahrheit aus. Neuen Halt erfuhr er durch seine Kontakte mit Kreisen der Erweckungsbewegung. An seiner ersten Stelle als Pfarrer in der reformierten Kirche das Kantons Aargau fand seine erweckliche Predigt unter vielen Gemeindegliedern in Leutwil grossen Zuspruch (1828-1830). Sie führte aber auch zu einer starken Polarisierung und brachte die Kirchenleitung gegen ihn auf.

Nach seiner Absetzung (1830) wirkte er als freier Verkündiger vor allem in pietistisch-erwecklichen Kreisen in der Schweiz, in Süddeutschland und im Elsass. Infolge seiner Kritik an der Säuglingstaufe entfremdete er sich zunehmend den Landeskirchen und näherte sich täuferisch-mennonitischen Positionen an. Als er im Kontext des Genfer Réveil 1832 selber die Glaubenstaufe empfing, war der Bruch mit der reformierten Kirche vollzogen.

Fröhlich begann nun eine ausgedehnte Gemeindegründungstätigkeit, die ihn noch im selben Jahr 1832 auch ins Emmental nach Langnau zur dortigen Täufergemeinde führte.[1] Auch hier löste seine Verkündigung eine ambivalente Reaktion aus: Von den einen begrüsst als Impulsgeber für geistliche Erneuerung, lehnten ihn andere als zu forsch und zu radikal ab. 1835 kam es zum Bruch – die fortan als «Neutäufer» bezeichnete Gruppe gründete auf dem Weiler Giebel eine neue Gemeinde.[2]

Bis zum Tod Fröhlichs anno 1857 entstanden in der Deutschschweiz, der Romandie, im Elsass und in Süddeutschland zahlreiche Neugründungen, später auch in Osteuropa und Nordamerika. Aufgrund theologischer Differenzen und Unnachgiebigkeiten blieb das Verhältnis sowohl zum älteren Täufertum, als auch zu anderen gleichzeitigen Kirchenneugründungen der Erweckungsbewegung (Baptisten, Freie Evangelische Gemeinden, Chrischona etc.) spannungsvoll. Weitere Engführungen führten die «Neutäufer» nach 1860 auf den Weg zu einer zunehmend «geschlossenen Gesellschaft». Die Folge davon war eine erneute Spaltung um 1900. Die offenere Gruppe entwickelte sich im Verlauf des 20. Jahrhunderts zurück zu einer Evangelischen Freikirche, die den Kontakt mit anderen Landes- und Freikirchen pflegt und heute unter dem Namen «Evangelische Täufer-Gemeinde» (ETG) in der Schweiz gegen 3000 Mitglieder zählt. Die geschlossenere Gruppe blieb bis in die Gegenwart ihrem Ansatz treu und gestaltet ihr kirchliches Leben weitestgehend abgeschlossen.[3]


[1] Zur älteren Täufergemeinde in Langnau vgl. das Portrait des dortigen Ältesten Ulrich Steiner in dieser Ausstellung in der Zelle «LIEBEN UND LOBEN».
[2] Für weitere Details vgl. Bernhard Ott, Neues Licht auf die Entstehung der «Neutäufer». Die Trennung der Neutäufer von den Alttäufern im Emmental im Lichte der schriftlichen Aufzeichnungen von Samuel Heinrich Fröhlich, in Mennonitica Helvetica 18 (1995), 6990.
[3] Zur Geschichte der «Neutäufer»-Bewegung vgl. Bernhard Ott, Missionarische Gemeinde werden. Der Weg der Evangelischen Täufergemeinden, Uster (Verlag ETG) 1996. Ferner auch Hanspeter Jecker / Bernhard Ott (Hg.),Alt- und Neutäufer – Gemeinsame Vergangenheit!? Gemeinsame Zukunft ?! (Bienenberg Studienheft 1), Liestal (Europäische Mennonitische Bibelschule) 1993.